Sonntag, 10. Februar 2013

Wenn das Krankenhaus krank macht

Das staatliche Krankenhaus HEODRA in León, ist das grösste Krankenhaus von Nicaragua und verfügt über 440 Betten und 1000 Angestellte. Aufgesucht wird das Krankenhaus meist von Patienten die aus ärmeren Verhältnissen stammen und die kostenfreie staatliche Versorgung in Anspruch nehmen. Kostenfrei heisst, dass alle Untersuchungen und die Unterbringung der Patienten kostenlos sind. Werden allerdings Medikamente oder Spezialgeräte gebrauch, sind diese selber zu besorgen und zu bezahlen. 
HEODRA
Foto www.world-unite.de
So weit die Fakten. 

Alle die sich über die Krankenhäuser in der Schweiz beklagen (sei es auch nur über das Essen), sollten sich mal eine Nacht im HEODRA gönnen. Das Gebäude macht den Anschein, als würde es jeden Moment zusammenbrechen. Es fehlt überall an Abdichtungen, Deckenelemente, alles ist schmutzig und dunkel. Medizinische Geräte sind veraltet und rostig und nur in sehr begrenzten Mengen vorhanden. In der völlig überfüllten Notaufnahme lässt man Patienten mit offenen blutenden Wunden auch gerne mal 2-3 Stunden warten, weil die Kapazitäten fehlen und es dringendere Fälle gibt. Nicht nur die Notaufnahme ist gut besucht, auch der Rest des Krankenhauses droht aus allen Nähten zu Platzen. Die wenigen Wartestühle die es gibt sind alle besetzt, die Zimmer und Betten sowieso, so dass auch einige Betten einfach so auf dem Gang stehen - natürlich mit Patienten. Privatsphäre ist ein Fremdwort. Zwischen 6 und 8 Leute schlafen eng zusammengepfercht in einem Zimmer. Man bekommt alles mit. Ob der Nachbar jetzt halt vor Ort aufs Klo muss, ob das Mädchen mit den Schmerzen die ganze Nacht schreit, wenn bei Notfällen mal schnell eine kleine Notoperation vorgenommen werden muss oder gerade jemand wiederbelebt wird und dann evt. sogar stirbt - man bekommt alles mit. 
EKG und Nachttisch in einem
Jeder Patient hat das Recht auf einen Besucher, der dann einen Ausweis (ist übertragbar) bekommt. Mehr Besucher werden nicht eingelassen. Für die Besucher ist in den Zimmern kein Platz vorhanden. Eltern von Kindern schlafen dann zum Teil mit ihnen im Krankenbett, andere die einen Stuhl organisieren können, dürfen diesen mit ins Krankenhaus bringen. Im Wartebereich schlafen die Verwandten auf den harten klapprigen Stühlen oder auf Kartonkisten am Boden. Dass dabei Kakerlaken und Tauben (ja im Krankenhaus!) um einen herum schwirren, vergisst man spätestens, wenn man zwei Nächte nicht geschlafen hat. 
Warteraum mit Tauben
Alle Medikamente muss man selber bezahlen und selber besorgen. Das heisst, die Ärzte sagen einem was benötigt wird und dann muss man schauen, dass man es organisieren kann. Deshalb muss auch immer jemand vor Ort sein. Das Problem dabei ist, dass viele Patienten sich eben diese Medikamente nicht leisten können. Dann kommt es halt vor, dass weinende Angehörige von Zimmer zu Zimmer gehen und um etwas Geld betteln. Die meisten Leute, die auch selber nur wenig haben, zeigen sich solidarisch und spenden etwas. Zudem wird die regelmässige und pünktliche Einnahme der Medikamente durch die Ärzte nicht überprüft, dafür sind auch die Verwandten verantwortlich. Man muss die Ärzte allerdings in Schutz nehmen. Die sind zum Teil sehr gut ausgebildet und machen auch eine gute Arbeit. Nur fehlt es an allen Ecken und Enden. 

Die Patienten kriegen auch drei Mahlzeiten am Tag - Reis und Bohnen - Reis und Bohnen - Reis und Bohnen. Wenn man Glück hat gibt es noch ein wenig Gemüse oder mal ein bisschen Huhn. Die Angehörigen müssen sich ihr Essen selber besorgen. So wird eigentlich den ganzen Tag über in den Krankenzimmern gegessen und die die etwas mehr haben, teilen dann auch gerne mit denjenigen, die sich nichts leisten können. 

Wie man unter diesen Umständen gesund werden soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Man sagt von dem Krankenhaus auch, dass man mit einem Leiden rein geht und mit drei neuen Krankheiten raus kommt. 

Bewundernswert sind die Menschen. Sie ertragen dies alles mit Fassung. Haben ein offenes Ohr für andere und sprechen ohne Hemmungen über ihre Geschichte. Trotz den Schicksalen, der Übermüdung und den widrigen Umständen wird im Warteraum viel gelacht und geredet. 

PS: Ich musste zum Glück keine Nacht im Krankenhaus verbringen, sondern war nur an einigen Tagen für einige Stunden als Besucher da.