Donnerstag, 5. Juli 2012

Aus der Unterrichtspraxis

An dieser Stelle möchte ich über ein Beispiel aus der Unterrichtspraxis berichten, welches mir viel Freude bereitet hat. 

In einer 4. Klasse der Primarschule in Lechecuagos wurde das Thema der Längenmasse (m, dm, cm, mm) behandelt. Zur Einführung mussten die Kinder eine Liste zur Umrechnung der Längenmasse abschreiben. 1m = 100cm, 1cm = 10mm usw. In der nächsten Stunden mussten die Kinder nun die Masseinheiten umrechnen. Dass heisst, sie schrieben Aufgaben von der Tafel ab und sollten mit Hilfe der Liste versuchen diese zu lösen. Ich versuchte bei meinem Besuch den Kindern dabei zu helfen, musste aber schnell feststellen, dass sie keine Vorstellung davon hatten, was den ein Meter oder ein Zentimeter sein soll. Bisher hatten sie die Masse ja auch noch nicht zu Gesicht bekommen. Auf die Frage wie hoch den zBs. der Tisch sei, antworteten mir einige 23 Meter oder 10 Millimeter. 

Nach der Stunde besprach ich meine Beobachtungen mit der Lehrerin und wir suchten gemeinsam nach einer Strategie um den Kindern zu helfen. Am Ende bastelten wir einen Meter aus Papier auf welchem alle Masseinheiten beschriftet waren. Die Kinder sollten nun in der nächsten Stunden in kleinen Gruppen auch solch einen Meterstreifen herstellen. 

Das Basteln lief etwas schleppend, doch sobald die ersten Gruppen fertig waren änderte sich dies schlagartig. Die Kinder sollten nun ihre Körpergrösse messen und diese in Meter, Zentimeter und Millimeter aufschreiben. Was jetzt passierte zaubert mir immer noch ein Lächeln aufs Gesicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich eine Euphorie. Die Kinder waren kaum noch zu halten und wollten alles und jeden messen. Von der Wandtafel, über die Türen, das Schulhaustor, die Rutsche, die Direktorin (!) oder den Pausenplatz wurde alles vermessen. Am meisten berührte mich allerdings, wie die Lehrerin strahlte und selber Freude an der Begeisterung der Kinder empfand. Es erstaunt mich selber immer wieder, wie man mit ganz einfachen Dingen, die sonst fast schon lethargisch auf ihren Stühlen sitzenden Kinder, animieren kann. 

Bei der Auswertung am Ende der Stunde hatten alle Kinder eine Vorstellung davon, wie gross ein Meter tatsächlich ist und einige bekundeten auch mit dem Umrechnen keine Mühe mehr. In der nächsten Lektion wird die Lehrerin die  Praxis wieder mit der Theorie verknüpfen und ich hoffe, dass bei den Kindern etwas hängen geblieben ist. 

Es sind diese Erlebnisse, die meinen Aufenthalt hier in Nicaragua verzaubern. Zudem lerne ich hier, aus den einfachsten Dingen Unterrichtsmaterialien zu erstellen, welche mir in der Schweiz nie in den Sinn gekommen wären. Aus Karton, Flaschendeckel oder Holzstäbchen lässt sich eigentlich alles machen, was man für einen guten Unterricht braucht.  

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